27.1.2005 | Frankfurter Rundschau

Ach, die Journalisten...

Hugo Müller-Vogg plaudert vor rund 200 Menschen in der Englischen Kirche aus dem Nähkästchen

"Macht der Medien – Ohnmacht der Politik" hieß der Vortrag. Eingeladen hatten dazu der Magistrat und der Diskussionskreis Taunus. Der wurde 1968 gegründet und hat mehr als 900 Mitglieder, so die Moderatorin Annemarie Greisner.

Es ging um Journalisten. "Kaum einer dieser Leute beherrscht den Konjunktiv und die richtige Zeiten-Abfolge!" klagte eine Dame aus dem Publikum. Ja, greulich mit ä, bekräftigte Hugo Müller-Vogg am Stehpult. Heutzutage kämen Gesamtschul- Absolventen in den Beruf. Und die Korrektoren seien arbeitslose Germanisten ...

Solche Sottisen machten dem Referenten sichtlich Spaß. Sie bannten die rund 200 Zuhörer gut zwei Stunden lang. Der Referent zitierte Tucholsky: "Man muss den Journalisten nicht bestechen. Man muss ihn nur einladen und wie eine Macht behandeln." Und Karl Kraus: "Keinen Gedanken zu haben und den ausdrücken zu können – das macht den Journalisten aus". Der Journalist Müller-Vogg machte nicht den Anschein, er fühle sich selbst gemeint. Nein, die anderen. Die könnten ja immer weniger zwischen Nachricht und Kommentar unterscheiden, so der 57-Jährige. "Es gibt zunehmend Informationsbrei". Infotainment verdränge seriöse Sendungen. Sabine Christiansen wechsele stets dann das Thema, wenn die politische Diskussion spannend werde.

"Viel mehr Politik wird in den Unterhaltungssendungen gemacht", meinte Müller-Vogg und sprach von der "Lindenstraße". Deren Botschaft: "Die Männer sind alle Versager, die Frauen sind stark, und niemand ist für irgend etwas verantwortlich". Auf die Idee, CDU zu wählen, komme in dieser Serie höchstens die bigotte Hausmeisterin Else Kling und ihr halbkrimineller Sohn. Fazit: "Die Lindenstraße bildet nur ab, was die Journalisten der Frankfurter Rundschau für Deutschland halten".

Die FR packte Hugo Müller-Vogg folglich nicht in den von einer Zuhörerin geforderten "ausgewogenen Mediencocktail". Da gehörten die Süddeutsche und der Spiegel hinein. Auch die Frankfurter Allgemeine – obwohl: "In der FAZ darf nicht stehen, dass es den Müller-Vogg noch immer gibt." Offenbar wurmt den Mann noch immer, dass das Blatt ihn vor vier Jahren als Herausgeber entließ. Seither schrieb er Bücher über Angela Merkel, Horst Köhler und verfasst Kolumnen für den Blitztipp und die Bild-Zeitung. Welch letztere von elf Millionen Deutschen gelesen werde. Und das Köhler-Buch stehe immerhin auf Platz 24 der Bestsellerliste.

Den Einfluss der Medien auf die Politik schätzt Hugo Müller-Vogg als eher gering ein. Vor allem wegen der vielen Teilöffentlichkeiten, wegen der schwer veränderlichen Überzeugungen des Publikums und der geschickten Instrumentalisierung der Journalisten durch Leute wie den Medienkanzler.

Am Ende wirkten alle zufrieden: Das Publikum fühlte sich informiert, der Referent fand Beachtung. Und die Veranstalterinnen vom Diskussionskreis Taunus gewannen an Renommee. Am 4. Oktober lassen sie Hilmar Kopper darlegen, ob die USA als Vorbild für Deutschland geeignet sind.

(Frankfurter Rundschau)