Auf den Spuren der Angela Merkel: Hugo Müller-Vogg erklärt die Konservativen
Hugo Müller-Vogg, 57, lädt an jenem 9. November zum Saumagen-Essen nach Bad Homburg. Der Mann hat sich geärgert, dass die Wiedervereinigung nicht gebührend als deutscher Nationalfeiertag zelebriert wird, und mit ihm essen dann Politiker wie Roland Koch Saumagen. Angela Merkel war zweimal der Einladung nicht gefolgt, doch sie stellt eine Teilnahme in Aussicht. Schließlich hat Müller-Vogg einen Interview-Band mit ihr (Mein Weg) veröffentlicht; auch der hessische Freund Koch und Bundespräsident Horst Köhler fanden auf dem Weg der bibliophilen PR zum Wahlvolk.
Tatsächlich ist Müller-Vogg ein beharrlicher Begleiter der Mächtigen, die stets aus der gut-bürgerlichen Ecke kommen; ein Buchprojekt mit SPD-Chef Franz Müntefering scheiterte. Gesprächsbände sind die Spezialität des konservativen Journalisten, der es damit regelmäßig in die Bestsellerlisten schafft, aktuell mit Reinfried Pohl: Ich habe Finanzgeschichte geschrieben. Vermutlich haben alle Mitarbeiter und Freunde von Pohls Deutscher Vermögensberatung die Interview-Bekenntnisse des CDU- begeisterten Chefs gelesen. Gelegentlich wundert sich Müller-Vogg über sein Image eines Hardliner-Publizisten, der ja sogar einmal als ehemaliger Freizeitboxer charakterisiert wurde. Dabei war er badischer Jugendmeister im Hammerwerfen.
Nun ist Wahlkampf, und der Mann mit der etwas gedrungenen Figur und den schwarzen Troddelschuhen hatte schon vor längerer Zeit die Idee, zusammen mit Manfred Bissinger Schröder oder Merkel: Die schnelle Wahlhilfe auf den Markt zu werfen. Geplant aber war eine Tournee mit öffentlichen Auftritten - allerdings erst im nominellen Wahlkampfjahr 2006. Dann wurde es ein Schnellschuss, weil Schröder schnell schoss, aber einer wie Müller-Vogg, der in der B.Z. Kleinst-Kommentare komponierte, hält da leicht mit. "Grau sind die Rebellen von einst geworden, müde und angepasst", schreibt der schnauzbärtige Anti-68er über die 68er: "Scheinbar altmodische Werte wie Fleiß, Anstand und Ehrlichkeit wurden lächerlich gemacht oder zur Privatsache erklärt." Müller-Vogg, der nach eigenem Bekenntnis "in einer katholischen CDU-Familie sozialisiert wurde", hasst die Anything-goes-Philosophie. Der journalistischste der Söhne Mannheims promovierte über "Public Relations für die Soziale Marktwirtschaft" und arbeitete 24 lange Jahre bei der Frankfurter Allgemeinen - als Redakteur, Korrespondent (Düsseldorf, New York) und schließlich Herausgeber (zuständig für die Rhein-Main-Ausgabe und die Sonntagszeitung). Als er in den USA lebte, ruhte die CDU-Mitgliedschaft; Müller-Vogg wurde Karteileiche. "Eine Parteimitgliedschaft fördert Missverständnisse, wenn man als politischer Journalist arbeitet", findet er heute. Die FAZ hat er 2002 verlassen müssen.
Schwarzer mit Schnauzer
Eine Katastrophe in der Karriere. "Ich weiß nach wie vor nicht, warum ich rausgeworfen wurde. Meine Bücher werden von der FAZ konsequent ignoriert. Orwells 1984 läßt grüßen: Mich darf es nicht mehr geben." Nach dem Debakel hat Müller-Vogg die Marktwirtschaft wörtlich genommen und sich selbst einen Markt erwirtschaftet. Er schrieb Kolumnen, oft verdächtig stark auf konservativ getrimmt, und fabrizierte Bücher wie vom Fließband. "Ich bin eine staatlich nicht geförderte Ich-AG." Inzwischen hat sich die konservative Ich-AG eine Wohnung in Berlin gemietet, gleich neben dem ARD-Hauptstadtstudio. Für Bild ist Müller-Vogg nun zeilenproduktiver Kolumnist: Montags eine Wochenschau, von Dienstag bis Donnerstag "Berlin intern" über das Hauptstadtgebrause. "Eine schöne Plattform", findet der Autor, der weiß, dass "Duelle" auch in der Presse locken. So duelliert sich der Volkswirt in Super-Illu, dem Zentralorgan des Ostens, mit Gabriele Oertel vom Neuen Deutschland.
Für den politischen Nahkampf findet der einstige Herausgeber der FAZ seine Munition in den Programmen von CDU und FDP. Schröder empfindet er als "Karrierist, aber immer auf dem Weg nach oben". Das mag er nicht. Aber die Wahl ist nach Müller-Voggs Einschätzung ohnehin so gut wie gelaufen, daran ändere auch Kanzlers Tele-Talent nichts: "Die Wirkung des Fernsehens im Wahlkampf wird überschätzt. Ohne Irakkrieg und Oder-Flut hätte Edmund Stoiber im Jahr 2002 trotz seiner Defizite im TV-Studio gewonnen", erklärt er im mannheimerischen Singsang.
Müller-Vogg ist auf Abruf der konservative Scharfmacher, der liefert, was erwartet wird - ansonsten ist er auch zu Andersdenkenden wie der einstigen HR-Chefredakteurin und jetzigen Linkspartei-Kandidatin Luc Jochimsen so lieb, dass sie mit ihm gern Zeit verbringen. Von PR in der sozialen Marktwirtschaft versteht Müller-Vogg viel, deshalb registriert er dankbar, dass der Nachrichtenkanal N24 die schnellen Wahlhelfer von Hoffmann und Campe in einer halbstündigen Talkshow auftreten ließ. Spiegel-TV will eine Serie bringen.
Die Vielzahl der Vorbilder ist Müller-Vogg bewusst: Als erste hatten sich Bodo Hauser und Ulrich Kienzle rund um Frontal (ZDF) gepiesackt. Die beiden mochten sich nicht. Doch er versteht sich wirklich mit Bissinger, dem Linken: "Er hat mir geholfen, als die FAZ mich fallen ließ. Das habe ich nicht vergessen."
So kam das Geschäft zum Gefühl.
(Sueddeutsche Zeitung)