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Presse
27.07.2009Politische Spekulationen mit dünnen Belegen
Hugo Müller-Vogg mischt gern auf. In seinem jüngsten Buch
dreht der Journalist und "Bild"-Kolumnist Phantasie und Fakten durch den
Fleischwolf. Heraus kommt eine unterhaltsame Fiktion, die trotz eines
ganzen Bündels an subjektiven Verdachtsmomenten nicht völlig an den
politischen Eventualitäten vorbei zielt.
"Volksrepublik Deutschland", nennt der Publizist seine Geschichte, die
er rechtzeitig vor den Bundestagwahlen in die Buchläden gebracht hat.
Darin entwirft er ein "Drehbuch für die rot-rot-grüne Wende", die
chronologisch erzählt, was passieren könnte, wenn eine
Dreierkonstellation aus SPD, Grünen und Linken die Macht übernimmt.
Andrea Ypsilanti als "Muse"
"Meine Muse war Andrea Ypsilanti", so der Autor in Bensheim über das
reale Motiv hinter seiner literarischen Inszenierung. Der "Wahlbetrug"
der hessischen SPD-Kandidatin habe ihn letztlich dazu verleitet, die
potenziellen parteilichen Schulterschlüsse genauer unter die Lupe zu
nehmen und theoretische Wahrscheinlichkeiten in eine politische Realität
zu übersetzen. Im Hotel "Felix" plauderte Hugo Müller-Vogg eineinhalb
Stunden lang mehr über die Hintergründe seines Buches als über den
konkreten Inhalt selbst. Auf Einladung des Bergsträßer
CDU-Bundestagskandidaten Dr. Michael Meister und mit Unterstützung der
Buchhandlung Böhler warf der Journalist einen spekulativen Blick in die
nahe deutsche Zukunft.
"Einen plumpen Wortbruch wird es nicht mehr geben", ist sich Müller-Vogg
sicher, dass heute andere Voraussetzungen gegeben sind. Die SPD habe
ihre Berührungsängste vor der Linken längst verloren. Als - durchaus
dünnen - Beleg führt der Autor an, dass es auf der Internetseite der
Sozialdemokraten keine öffentliche Kritik an den Linksaußen gebe.
Zweitens: Auf Länderebene seien rot-rote Koalitionen längst salonfähig
geworden. Ein entsprechendes Bündnis auf Bundesebene sei nur eine Frage
der Zeit.
"Macht macht mobil", erkennt Müller-Vogg eine nie dagewesene
Kompromissbereitschaft in den Parteien, die durch die Aussicht auf eine
Regierungsbeteiligung heftig beschleunigt werde. Die von ihm
beschriebene "Kuba"-Koalition sei daher keine Utopie, sondern ein wenig
verzerrender Spiegel der theoretischen Möglichkeiten.
Der Vermutung, seine "Volksrepublik Deutschland" werde eine Art
DDR-light sein, erteilt der bekennend konservative Journalist eine
verbale Ohrfeige: Der ehemals deutsche Osten sei ein Unrechtsregime und
Unterdrückungssystem gewesen. "Eine Wiederbelebung dieser Verhältnisse
unterstelle ich weder der SPD noch der Linken."
Gregor Gysi als Innenminister
Allerdings entwirft Müller-Vogg in seiner Fiktion eine gigantische
Umverteilungsmaschinerie, die nach dem Prinzip der sozialen Gleichheit
weit mehr Schäden als Segen mit sich bringt: Durch entsprechende
Steuerregelungen würden die Reichen abwandern und der Mittelstand als
leistungsstarker Wirtschaftsmotor mehr als nur ins Stottern geraten.
Deutschland werde allmählich verarmen und das Bruttosozialprodukt bis
auf weiteres in den Keller rutschen.
Es wäre demnach fahrlässig, über dieses Szenario nicht vorher
nachzudenken, rechtfertigt der Autor sein Buch, das "keine reine
Phantasiegeschichte" sei. Die Fiktion beginnt am 27. September 2009, dem
Wahlsonntag. Alle fühlen sich wie immer als Sieger, doch es reicht weder
für schwarz-gelb noch für rot-grün. Statt "Jamaika" oder "Ampel"
formiert sich bei knappen Mehrheitsverhältnissen letztlich eine
"Kuba"-Koalition, die nach dem Motto "Mehr Gerechtigkeit wagen" die
Regierung stellt.
Steinmeier wird Kanzler, Gysi Innenminister. Als programmatische
Schnittmengen des Dreierbündnisses sieht Müller-Vogg vor allem die
Bereiche Wirtschafts- und Sozialpolitik sowie das Thema Mindestlohn und
Atomausstieg.
Der Autor liefert nicht nur erfundene Dialoge, etwa ein Telefonat
zwischen Gerhard Schröder und Frank-Walter Steinmeier, sondern liefert
Eckpunkte einer potenziellen Koalitionsvereinbarung, die von (seinem
Kolumnen-Kollegen) Gregor Gysi jüngst als "einleuchtend" kommentiert
worden sei, wie der Autor betont: "Wenn die Fiktion eintrifft, verlange
ich Honorar."
Zum Abschluss zitierte er William Faulkner, der meinte, dass gute
Fiktion wahrhaftiger als jeder Journalismus sei.
Aus: Bergsträßer Anzeiger vom 27.07.2009
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