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01.10.2009

Schwarz-Gelb ist die letzte Chance für eine marktwirtschaftliche Erneuerung


Man kann sich auch Folgendes vorzustellen: Am 27. September bietet sich ein ganz neues Bild. Zum ersten Mal seit 1994 haben CDU/CSU und FDP zusammen wieder mehr Mandate als SPD, Grüne und „Die Linke“.

Vielleicht wäre das die eigentliche Sensation: Die Meinungsforscher behalten – im Gegensatz zu 2002 und 2005 – Recht; die demoskopisch ermittelte schwarz-gelbe Mehrheit wird mit dem Stimmzettel bestätigt. Somit blieben Deutschland bleiben vier weitere Jahre großkoalitionären Teppichhandels. Zugleich erübrigen sich sämtliche Spekulationen über andere Farbkombination wie Rot-Gelb-Grün oder Schwarz-Gelb-Grün. Es wäre eine Chance für Deutschland, und zwar aus zehn Gründen:

1. Eine Zweier-Koalition ist aus Gründen der politischen Hygiene besser als eine Neuauflage von Schwarz-Rot. Genau genommen ist fast jede Farben-Kombination besser als eine Fortsetzung von Schwarz-Rot; selbst Rot-Grün wäre aus demokratischer Sicht eine bessere Alternative. Noch etwas spricht für einen Wechsel der Sozialdemokraten in die Opposition: Nach elf Jahren Regierungsverantwortung würde der SPD eine Zeit der Selbstfindung gut tun. Denn die SPD muss ihren eigenen Standort klären: linke Mitte oder links?

2. Nur Schwarz-Gelb kann den Weg zurückfinden zur Marktwirtschaft im Sinne Ludwig Erhards. „Ordnungspolitik“ war viel zu lange ein Fremdwort, schon in Bonn und erst recht in Berlin. Die wichtigste Errungenschaft „made in Germany“, die Soziale Marktwirtschaft, kommt allenfalls noch in Sonntagsreden vor, kaum noch im Regierungsalltag. Höchste Zeit also für einen Wechsel. Den kann aber nur eine CDU/FDP-Koalition schaffen.

3. Nur Schwarz-Gelb kann die Rolle des Staates neu definieren. Die durch den amerikanischen Casino-Kapitalismus ausgelöste Finanz- und Wirtschaftskrise lässt den Staat plötzlich wieder als den wichtigsten politischen Akteur erscheinen. Dabei konnten sträflicher Leichtsinn und grenzenlose Gier sich an den Finanzmärkten nur deshalb so ausbreiten, weil der Staat als Aufsicht weitgehend versagt hat.

In einer Wettbewerbsgesellschaft gilt: Je härter die Konkurrenz, umso stärker muss der Schiedsrichter sein. Aber es muss wieder gelten, was Erhard selber so formuliert hat: „Schiedsrichter Staat“ darf nicht mitspielen. Das könnte Schwarz-Gelb sicherstellen.

4. Für Schwarz-Gelb ist ein größerer Kuchen wichtiger als gleich große Stücke des vorhandenen Kuchens. Soziale Marktwirtschaft heißt, dass der Staat denen hilft, die sich nicht selber helfen können. In der politischen Praxis herrscht aber eher die „vorbeugende Sozialpolitik“ vor. Wenn sich bei uns noch keine 30.000 deutschen Erntehelfer finden lassen, weder bei 3 noch bei 5 Millionen Arbeitslosen, dann ist etwas faul in der SRD – der Sozial-Republik Deutschland.

Auch wenn die politischen Widerstände gewaltig wären: Nur Schwarz-Gelb kann dem Wachstum Vorrang geben vor der Umverteilung.

5. Schwarz-Gelb kann dafür sorgen, dass Leistung sich stärker lohnt. In der Umverteilungs-Diskussion kommt ein Aspekt zu kurz: Familien mit Einkommen zwischen 4000 und 7000 Euro sind die wirklich Opfer unseres Abgaben- und Transfer-System: Sie werden progressiv besteuert, sie werden bei jeder Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenzen in der Sozialversicherung zur Kasse gebeten, sie zahlen zum Beispiel stets die höchsten Kindergartengebühren. Zugleich sind sie von vielen staatlichen Transferleistungen ausgeschlossen.

Der Abbau der „kalten Progression“ wäre ein erster Schritt, um diese „Finanziers des Sozialsystems“ zu entlasten. Dann würde mehr Leistung wieder zu einem spürbaren „Mehr“ an Einkommen führen. Leistung muss sich übrigens auch mit Blick auf den Erbfall lohnen. Schwarz-Gelb würde das neue Erbschaftssteuerrecht entsprechend nachbessern.

6. Schwarz-Gelb würde den gesetzlichen Mindestlohn verhindern und somit Arbeitsplätze retten. Der gesetzliche Mindestlohn ist eine einzige Mogelpackung. Damit eine Familie mit einem Kind netto mehr hat als Harz-IV-Empfänger, muss der Mindestlohn 10 bis 11 Euro pro Stunde betragen. Nur dann kann diese Familie von der eigenen Arbeit leben.

Mindestlöhne in dieser Größenordnung würden Hunderttausende von Arbeitsplätzen vernichten und gering oder nicht qualifizierte Arbeitnehmer um jede Chance bringen. Dann hätten wir zwar keine „prekären Beschäftigungsverhältnisse“ mehr – aber dafür viel mehr Arbeitslose.

7. Nur Schwarz-Gelb kann eine Balance finden zwischen der notwendigen Haushaltskonsolidierung und einem „Kaputtsparen“. Das Erwachen wird furchtbar sein: Die nächste Regierung steht vor einem strukturellen Haushaltsdefizit von 60 bis 80 Milliarden Euro pro Jahr. Da kann man sich nicht „heraus sparen“, ohne das Wachstum zum Erliegen zu bringen. Und da kann man auch nicht mit „Keynes plus“ heraus wachsen.

Es wird vor allem auf die richtige Mischung von harten Sparmaßnahmen und Wachstumsimpulsen ankommen. Eine CDU/FDP-Koalition hat schon einmal bewiesen, dass sie bei dieser Gratwanderung nicht abstürzt – nach der Wende von 1982. Gleichwohl: Dieses Mal ist die Herausforderung ungleich größer.

8. Nur Schwarz-Gelb kann die weiter Sozialisierung der Sozialsysteme stoppen. Der sozialpolitische Nachlass von Schwarz-Rot trägt unverkennbar sozialdemokratische Handschrift: In der neuen Rentenformel hat das Wahldatum das größte Gewicht; der Gesundheitsfonds in der Krankenversicherung ist die Vorstufe für die sozialistische Einheitskasse, für die Zwangs-AOK.

Wenn jemand diese gravierenden Fehlentwicklungen korrigieren kann, dann nur eine „Große Koalition der Marktwirtschaftler“ innerhalb von Schwarz-Gelb.

9. Schwarz-Gelb würde den Ausstieg aus der Kernkraft stoppen. Die Abhängigkeit von russischem Gas ist mindestens ebenso gefährlich wie die illusionäre Erwartung, wir könnten unseren Energiebedarf kurz über lang mit Sonne, Wasser und Wind decken. So wichtig die schnelle Weiterentwicklung regenerativer Energien auch ist: Wir können auf die Kernenergie auf absehbare Zeit nicht verzichten. Dann sollten wir sie hierzulande auch produzieren, statt sie aus anderen Ländern zu importieren.

10. Schwarz-Gelb wäre die letzte Chance für eine marktwirtschaftliche Erneuerung. Wir leben in einer Gerechtigkeits-Gesellschaft, weniger in einer Chancen-Gesellschaft. Wettbewerb soll nach Meinung der meisten schon sein, aber bitte nicht mit allzu unterschiedlichen Ergebnissen. Der regulierende und umverteilende „Vater Staat“ genießt bei uns schon immer hohes Ansehen – und nach der Finanzkrise mehr denn je.

Eine schwarz-gelbe Regierung der marktwirtschaftlichen Erneuerung würde also auf massive Widerstände stoßen. Sozialdemokraten, Grüne und die Lafontaine-Genossen würden Arm in Arm mit den Gewerkschaften auf die Straße gehen. Der Gegenwind wäre heftig.

Aber machen wir uns nichts vor: Wenn die nach der Finanzkrise notwendige Erneuerung der Marktwirtschaft nicht jetzt in Angriff genommen wird, dann auf lange Zeit nicht mehr.

Erschienen in "trend - Zeitschrift für die Soziale Marktwirtschaft", September 2009






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